Eine Frage des Stils: Welche Kommunikationsmuster unsere Interaktionen bestimmen.
„Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken.“
– Samuel Johnson, englischer Schriftsteller und Dichter
Kommunikation ist das Herzstück unserer täglichen Interaktionen, sei es bei der Arbeit, in der Familie oder im Freundeskreis. Doch oft genug verlaufen Gespräche oder Unterhaltungen nicht annähernd so, wie wir es uns vorgestellt haben. Seien es scheinbar harmlosere Streitigkeiten mit dem Partner, die regelmäßig ungewollt eskalieren. Ein chaotisches Meeting, weil das Team trotz aller Techniken zur effektiven Gesprächsführung einfach nicht auf gleicher Wellenlänge zu sein scheint. Ein Kollege, mit dem wir scheinbar immer anecken. Solche Situationen sind uns allen nur allzu bekannt und sie führen oft zu Missverständnissen, Konflikten und Frustration. Hinterher fragen wir uns oft genug, ob wir wirklich nichts gegen diese scheinbar festgefahrenen Muster unternehmen können.
Die moderne Psychologie liefert zentrale Ansatzpunkte, um diese Komplexität der menschlichen Interaktion und Kommunikation zu verstehen und erfolgreich zu navigieren. Im Vordergrund steht dabei zunächst die Erkenntnis, dass nicht alle Menschen auf die gleiche Weise kommunizieren. Probleme entstehen nicht nur aus den verschiedenen (teils nicht explizit geäußerten) Ebenen einer jeden Nachricht. Stattdessen gibt es bestimmte Muster in unserem Kommunikationsverhalten, die teilweise typische Reaktionen und regelrechte Teufelskreise heraufbeschwören. Nur wer sich dieser Wechselwirkungen bewusst ist, kann wirkungsvoll kommunizieren.
Verschiedene Kommunikationsstile
Im Gespräch mit anderen zeigt sich eine besondere Art und Weise, wie jede und jeder von uns ganz persönlich kommuniziert. Diese „Kommunikationsstile“ beziehen sich aus psychologischer Sicht auf spezifische Verhaltensmuster und charakteristische Eigenschaften, mit denen wir uns einem Gegenüber präsentieren und versuchen, auf diesen Einfluss zu nehmen. Dabei gibt es nichtden einen richtigen Kommunikationsstil. So kann beispielsweise in manchen Gesprächen ein sehr bestimmtes und beherrschendes Verhalten förderlich sein. Mal wollen wir uns gezielt in den Vordergrund drängen und in anderen Situationen geben wir uns eher zurückhaltend oder regelrecht hilfsbedürftig. Nach Friedemann Schulz von Thun gibt es dabei insbesondere 8 wichtige Kommunikationsstile, die jedem Menschen geläufig sein sollen, da sie häufig auftreten und enorme Auswirkungen auf die Dynamik zwischen den Gesprächspartner haben können.
Obwohl wir oft glauben „Prototypen“ für einen ganz bestimmten Stil in Personen aus unserem Umfeld wiederzuerkennen, ist es in der Praxis sehr selten, dass eine Person ausschließlich in ein- und demselben Stil kommuniziert. Jeder Mensch kann grundsätzlich frei wählen, welchen Stil er in seiner Kommunikation benutzt. In der Praxis treffen wir diese Wahl allerdings meist eher unbewusst in Abhängigkeit von prägenden Erfahrungen in der Vergangenheit (generell oder auch mit einer spezifischen Person), unserer aktuellen Stimmung oder sonstigen Eigenheiten der Situation. Dadurch kommunizieren wir leider öfter als uns lieb ist in einem Stil, der für die aktuelle Situation eigentlich nicht wirklich geeignet ist.
Jeder Kommunikationsstil beinhaltet auch positive Eigenschaften und wird oft nur durch die Übersteigerung in ein wenig vorteilhaftes Extrem problematisch. Diese positiven Anteile muss man sich zunächst bewusst machen. Anschließend kann man sich darauf fokussieren, lediglich die übertriebenen Ausprägungen von Anforderungen bzw. Werten zu bearbeiten, anstatt die gesamte Art der eigenen Kommunikation zu verteufeln.
Inneres Mantra: „Allein bin ich dem Leben nicht gewachsen“
Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht entsteht und verfestigt sich oft durch Überbehütung in Kindheit, weil man nicht lernt, Probleme allein zu bewältigen.
Unabhängig von inhaltlicher Aussage auf Sachebene sendet man dahinter immer dieselben Aussagen auf den anderen 3 Ebenen der Nachricht:
Selbstkundgabe = Ich schaffe das (gerade) nicht allein
Beziehungsbotschaft = Du kannst es besser als ich
Appell = Hilf mir
Gefahr: Teufelskreis durch gegenseitige Bestärkung (Hilflos <> Helfer)
Positiver Anteil: Hilfe annehmen und anderen vertrauen können
Empfehlung:
Konkretere Bitten sichern Autonomie trotz Unterstützung (z.B. „Kannst du das Schreiben querlesen, das ich formuliert habe?“ anstatt „Oh Gott, ich habe keine Ahnung, was ich machen soll“)
Kann aber auch gezielt eingesetzt werden, um Hilfe einzufordern (Effektiv, da Gegenüber nicht herzlos sein möchte)
Inneres Mantra: „Ich darf niemals schwach und bedürftig sein“
Entwickelt sich häufig durch Erfahrung von Vernachlässigung in der Kindheit. Dieses „hungrige Baby“ in einem selbst versucht man ruhig zu stellen, indem man sich um andere kümmert.
Unabhängig von inhaltlicher Aussage auf Sachebene sendet man dahinter immer dieselben Aussagen auf den anderen 3 Ebenen der Nachricht:
Selbstkundgabe = Ich bin stark und brauche niemanden
Beziehungsbotschaft = Du brauchst meine Unterstützung
Appell = Lass mich dir helfen
Dieser und der bedürftig-abhängige Stil ziehen sich magisch an (s.o.)
Gefahr: Teufelskreis, wenn die abhängige Person trotz Hilfe abhängig bleibt und sich auf Dauer Frustration und Wut entwickelt.
Positiver Anteil: Altruismus und Hilfsbereitschaft
Empfehlung: Die richtige Balance zwischen Anteilnahme und Hilfe sowie Abstand und Abgrenzung finden (z.B. auf eigene Erschöpfung achten und andere auch mal sich selbst überlassen, anstatt immer sofort zu helfen)
Inneres Mantra: „Harmonie um jeden Preis“
Dieser Stil entwickelt sich leicht, wenn man in der Kindheit nicht genug Aufmerksamkeit und Wichtigkeit gespürt hat, sodass man anfängt, sich zu verstellen und anzupassen, um beliebter zu sein.
Unabhängig von inhaltlicher Aussage auf Sachebene sendet man dahinter immer dieselben Aussagen auf den anderen 3 Ebenen der Nachricht:
Selbstkundgabe = Ich bin unwichtig
Beziehungsbotschaft = Du bist wichtiger
Appell = Sag mir, wie du mich haben willst
Entsprechende Personen erscheinen sehr umgänglich, da sie immer versuchen, die Erwartungen des Gegenübers zu erfüllen
Gefahr: Unterwürfiges und aufopferndes Verhalten führt auf Dauer zu völliger Verausgabung und kann außerdem dazu führen, dass Interaktionspartner (z.B. in Beziehungen) ein gleichwertiges Gegenüber vermissen.
Positiver Anteil: Rücksichtnahme und Fokus auf Bedürfnisse des anderen
Empfehlung: Fokus auf den eigenen Wert und Ausdruck in Verhalten und Kommunikation (z.B. klare Ich-Botschaften mit der eigenen Meinung anstelle von „Tut mir leid für die blöde Frage, aber…“)
Inneres Mantra: „Angriff ist die beste Verteidigung“
Wer in seiner Vergangenheit zu oft das Gefühl von Erniedrigung ertragen musste, entwickelt aus Angst vor weiterer Verletzung des Selbstwerts leicht den Schutzmechanismus, andere vorsorglich herunterzumachen, um sie als Bedrohung auszuschalten.
Unabhängig von inhaltlicher Aussage auf Sachebene sendet man dahinter immer dieselben Aussagen auf den anderen 3 Ebenen der Nachricht:
Selbstkundgabe = Mir kann keiner etwas
Beziehungsbotschaft = Das ist deine Schuld
Appell = Du solltest mir lieber Recht geben
Entsprechende Personen wirken oft hart, überheblich und unnahbar, obwohl sie im Inneren sehr verletzlich sind
Gefahr: Teufelskreis, wenn Interaktionspartner einen ähnlichen Stil lebt, da beide sich gegenseitig immer weiter anstacheln und den Konflikt eskalieren.
Positiver Anteil: Seine eigene Meinung klar und deutlich vertreten zu können
Empfehlung: Nicht jeden Streit vermeiden, aber auf respektvolle Kommunikation und Diskussionskultur achten (z.B. mehr Ich-Botschaften anstelle von „Du“-Vorwürfen)
Inneres Mantra: „Nur mit positiver Bestätigung bin ich etwas wert“
Auch bei diesem Stil geht es sehr stark um (Selbst-)Bestätigung, weil man regelmäßig vermittelt bekommen hat, dass man nur etwas Wert ist, wenn man Leistung bringt.
Unabhängig von inhaltlicher Aussage auf Sachebene sendet man dahinter immer dieselben Aussagen auf den anderen 3 Ebenen der Nachricht:
Selbstkundgabe = Ich bin fehlerfrei
Beziehungsbotschaft = Entweder du findest mich gut oder du machst mir Konkurrenz
Appell = Sag mir, wie toll ich bin
„Sucht“ nach Bestätigung
Gefahr: Je genervter Interaktionspartner von dem Imponierverhalten sind, desto verzweifelter wird der Versuch der Person, dennoch Bestätigung zu erlangen.
Positiver Anteil: Leistungsmotivation und Herausforderungsdenken
Empfehlung: Eigenes Verhalten weniger stark von der Bestätigung durch Andere abhängig machen und lernen, auch mal nichts zu tun (z.B. meditieren)
Inneres Mantra: „Kontrolle um jeden Preis“
Dieser Stil verfestigt sich oft dadurch, dass man in der Vergangenheit für das Ausleben eigentlich normaler Impulse (z.B. Weinen) bestraft wurde. Die resultierende Angst vor unkontrolliertem Verhalten sorgt für zunehmend starkes Kontrollbedürfnis in allen Bereichen.
Unabhängig von inhaltlicher Aussage auf Sachebene sendet man dahinter immer dieselben Aussagen auf den anderen 3 Ebenen der Nachricht:
Selbstkundgabe = Ich weiß, was richtig ist
Beziehungsbotschaft = Du machst das falsch
Appell = Mach es so, wie ich es sage
Überträgt sich durch Erziehung oft auf eigene Kinder
Gefahr: Krampfhafte Steuerung des Interaktionspartners (oft in Kombination mit aggressiv-entwertendem Stil) führt entweder zu Abhängigkeit, wenn Gegenüber immer mehr Verantwortung abgibt, oder zu Widerstand und Konflikten.
Positiver Anteil: Impulskontrolle und Führungskompetenz (Planung und klare Anweisungen)
Empfehlung: Non-direktive Gesprächsführung lernen (helfen, OHNE explizite Ratschläge oder Empfehlungen) und eigene Impulse mehr zulassen
Wenn man entweder besonders stark zu Selbständigkeit und Autonomie erzogen wurde oder umgekehrt durch übertriebene Nähe regelrecht erdrückt wurde, entwickelt sich leicht eine generelle Angst vor Abhängigkeit, wegen der man andere vorsorglich auf Abstand hält.
Unabhängig von inhaltlicher Aussage auf Sachebene sendet man dahinter immer dieselben Aussagen auf den anderen 3 Ebenen der Nachricht:
Selbstkundgabe = Was in mir vorgeht, geht niemanden etwas an
Beziehungsbotschaft = Du bist zu emotional und irrational
Appell = Halt bloß Abstand
Entsprechende Personen wirken oft arrogant und abweisend, obwohl sie eigentlich auch ein Bedürfnis nach Nähe und Kontakt haben
Gefahr: Teufelskreis aus Nähe und Distanz, wenn man bei zu viel wahrgenommener Nähe krampfhaft auf Abstand geht und damit den Interaktionspartner langsam verprellt. Bei zu großer Distanz wird dann aber eine Angst vor dem Verlassen-Werden aktiv und die Rollen kehren sich um.
Positiver Anteil: Fähigkeit, emotionalen Abstand zu halten und rational und mit kühlem Kopf an Dinge heranzugehen
Empfehlung: Offen über eigene Wünsche, Ängste und Bedürfnisse sprechen und eine Balance zwischen Nähe und Distanz finden
Inneres Mantra: „Nur wer laut ist, wird wahrgenommen“
Wenn man in der Vergangenheit nur beachtet wurde, wenn man sich aktiv in den Mittelpunkt drängt, verfestigt sich eine generelle Angst, nicht wichtig oder interessant zu sein. Dadurch wird die Erregung von Aufmerksamkeit durch Übertreibung und Inszenierung zum Selbstzweck.
Unabhängig von inhaltlicher Aussage auf Sachebene sendet man dahinter immer dieselben Aussagen auf den anderen 3 Ebenen der Nachricht:
Selbstkundgabe = Seht, was ich für ein toller Typ bin
Beziehungsbotschaft = Du bist ein willkommenes Publikum
Appell = Schenk mir deine Aufmerksamkeit
Entsprechende Personen sind laute und dramatische Selbstdarsteller
Gefahr: Die anfängliche Faszination des „Publikums“ kann schnell in einen genervten Zustand umschlagen, wenn der Gegenüber sich mehr authentischen Kontakt wünscht.
Positiver Anteil: Talent, mit Charme und Witz andere zu unterhalten
Empfehlung: Bewusste Pausen und Schweigen einbauen, zuhören lernen und nicht alles aussprechen, was einem auf der Zunge liegt
Fazit: Kommunikation als Stilfrage
Das Verständnis der acht Kommunikationsstile nach Schulz von Thun kann uns dabei helfen, unsere eigene Kommunikation zu verbessern. Indem wir unseren eigenen Stil erkennen und die Art und Intentionen anderer Menschen verstehen, können wir situationsangemessen reagieren, Muster in unseren zwischenmenschlichen Interaktionen erkennen, Probleme lösen, Missverständnisse vermeiden und insgesamt effektiver kommunizieren. Versuchen Sie daher, zunächst Ihren eigenen Kommunikationsstil zu identifizieren und anschließend zu reflektieren, wie er Ihre Interaktionen beeinflusst. Experimentieren Sie mit verschiedenen Stilen und beobachten Sie, welche Reaktionen Sie bei Ihrem Gegenüber hervorrufen. Welche scheinbar festgefahrenen Muster sie aufbrechen können. Sie werden sehen, dass manche scheinbar grundsätzlich „schwierigen“ Personen sich Ihnen gegenüber auch ganz anders verhalten können.
Die positiven Effekte sind dabei nicht nur auf eine Verbesserung von Beziehungen im privaten Bereich beschränkt. Gerade als Führungskraft können Sie z.B. auch ihrem Team helfen, zusammenzuwachsen, indem sie die unterschiedlichen Kommunikationsstile identifizieren und Schwächen gezielt angehen. Auch wenn darum geht, Kritik effektiv zu äußern, kann das Verständnis der jeweiligen Kommunikationsmuster von entscheidender Bedeutung sein: Wer Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse seines Gegenüber erkennt, kann verletztem Stolz und inneren Widerständen vorbeugen!
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