Homeoffice
Eine Chance für eine neue Arbeitswelt
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Vertrauen oder Kontrolle – Home-Office als Prüfung für Führungskräfte
Die Mitarbeiter weitab des regulären Arbeitsplatzes, außer Sicht der prüfenden Augen des Vorgesetzten. Unkontrolliert und mit einem maximalen Ausmaß an Freiheit und Flexibilität. Diese Vorstellung ruft bei einigen Führungskräften ein ungutes Gefühl hervor. Das fehlende Wissen über die tatsächlichen Aktivitäten und die mangelnde Kontrolle führen zu der Annahme, dass Mitarbeiter ihre neu gewonnene Freiheit gnadenlos ausnutzen und zuhause nicht annähernd so motiviert und produktiv arbeiten, wie bei der klassischen Büroarbeit. Es wird befürchtet, dass sich die Kollegen viel häufiger heimliche Pausen genehmigen, sich leichter ablenken lassen, ihre Arbeit – wenn überhaupt – nur deutlich langsamer erledigen und ihre Zeit lieber mit Freizeitaktivitäten füllen. Hinter dieser Annahme steckt das Menschenbild des „Homo Oeconomicus“. In diesem Verständnis ist der Mensch ein zweckrational denkendes Wesen, welches lediglich ökonomische Ziele verfolgt und stets nach dem größtmöglichen persönlichen Nutzen strebt. Entsprechend verhält sich der Mitarbeiter in der Heimarbeit opportunistisch und nutzt jede sich bietende Möglichkeit aus, weniger zu arbeiten und trotzdem bezahlt zu werden. Diese Befürchtung trifft sicher in Einzelfällen zu, sie deshalb auf alle Mitarbeiter zu generalisieren, birgt aber Risiken. Wenn Sie aus diesem Grund ganz auf Homoffice verzichten oder es nur unter Einsatz maximaler Überwachungsmaßnahmen umsetzen, verpassen Sie große Chancen!
Das Homeoffice bietet durch seine Flexibilität in Arbeitsort, -zeit und -struktur enorme Vorteile in den immer dynamischeren Rahmenbedingungen der heutigen Zeit. Richtig eingesetzt führt diese Form der Arbeit zu höherer Zufriedenheit der Mitarbeiter und weniger krankheitsbedingten Fehlzeiten als bei der klassischen Büroarbeit. Eine Studie an IBM-Mitarbeitern zeigte außerdem eine deutlich bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, die auch für Führungskräfte interessant sein dürfte: Mitarbeiter konnten eine erheblich höhere Anzahl an wöchentlichen Arbeitsstunden – deutlich über die typischen 40 Stunden hinaus – absolvieren, bevor dies zu Konflikten mit dem Privatleben führte. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der regulären Arbeitszeit kein Problem darstellt.
Im schlimmsten Fall verschließen Sie sich als Führungskraft aus einer Angst vor Opportunismus heraus komplett der Einführung von Homeoffice und damit auch der notwendigen Anpassung an veränderte gesellschaftliche und technische Rahmenbedingungen. Da diese Form der Arbeit immer beliebter und als selbstverständlich betrachtet wird (Stichwort Work-Life-Balance), kann dies in Zukunft sogar Mitarbeiter kosten, wenn konkurrierende Arbeitgeber entsprechende Arbeitsmodelle ermöglichen. Ähnlich schädlich sind auch überzogene Kontrollmaßnahmen. Einerseits kommunizieren Sie Ihren Mitarbeitern deutlich ihr Misstrauen und beeinträchtigen andererseits ggf. auch in ihrem Produktivität. Die Folgen sind Frustration, Unzufriedenheit und die Entfremdung von Ihrem Unternehmen. Sie können zudem zu der falschen Schlussfolgerung gelangen, dass die Heimarbeit für Ihre Unternehmung nicht funktioniert. Das menschliche Verhalten und die zugrundeliegenden Motive sind schließlich weitaus komplexer, als es das Modell des „Homo Oeconomicus“ impliziert. Lösen Sie sich daher von dieser einseitigen Perspektive und versuchen Sie Ihren Mitarbeitern ein ausreichendes Maß an Vertrauen entgegenzubringen, damit alle Seiten maximal von den Vorteilen des neuen Arbeitskonzepts profitieren können.
Studien und Erfahrungen von führenden Experten für Zeitmanagement und Produktivität, kommen zu folgendem Schluss: Die Mitarbeiter, die im Homeoffice unproduktiv und opportunistisch agieren, sind in der Regel dieselben, denen Sie auch im Büro mit entsprechender Skepsis gegenüberstehen und die Sie dort kontrollieren wollen. Diese Personen werden unabhängig vom Arbeitsort immer Möglichkeiten finden, Ihnen Produktivität vorzutäuschen. Warum also Energie auf diese Minderheit verschwenden?! Konzentrieren Sie sich stattdessen auf die Mehrheit der Mitarbeiter, die die neuen Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung zu schätzen wissen und auch von zuhause produktiv für Sie arbeiten werden. Selbstverständlich bedeutet Vertrauen nicht, Mitarbeiter völlig alleine und ohne jede Steuerung arbeiten zu lassen. Führung sollte sich den neuen Bedingungen anpassen. Müssen im Homeoffice beispielsweise immer feste Arbeitszeiten von 9-17 Uhr gelten oder ist es nicht eher wichtig, dass Arbeiten rechtzeitig erledigt werden? Ermöglichen Sie individuelle Rhythmen nach den Bedürfnissen der Mitarbeiter z.B. über Kernarbeitszeiten oder Phasen von Erreichbarkeit und flexibel einteilbarer Arbeitszeit. Führen und strukturieren Sie die Arbeit für Ihre Mitarbeiter durch klare (z.B. wöchentliche) Ziele und To-Do-Listen, anstelle sich nur auf abgeleistete Zeit zu konzentrieren. Etablieren Sie klare Regeln zu Kommunikation und Erreichbarkeit.
Eine solche aktive Führung, die im Homeoffice essenziell für effiziente und produktive Arbeit ist, stellt hohe Anforderungen an Führungskräfte. Die starke Beschäftigung mit den eigenen Mitarbeitern auch dazu, dass diese sich stärker mit ihrer Arbeit identifizieren und sich besser in ihrer Entwicklung unterstützt fühlen. Bei der Konzeption von Homeoffice sollte Sie nicht ausschließlich versuchen, Arbeitsprozesse der klassischen Büroarbeit in digitaler Form zu reproduzieren, sondern diese zu ergänzen. Nutzen Sie die Chancen, die sich durch die neue Flexibilität bieten!